ÜBER DAS BUCH


„Beziehungsgeschichten“ ist ein Buch über uns Kriegs- und Nachkriegskinder, die nie richtig gelernt haben über das zu reden, was ihnen unangenehm ist.

 

Dieses Buch zeigt, basierend auf gelebter Erfahrung, wie nahe wir alle am Rande gestörter Beziehungen leben und wie schnell diese heile, schöngeschunkelte Musikantenstadl-Welt, wie ein Kartenhaus zusammenfallen kann, wenn ein Schlaganfall durch die notwendige anschließende Pflege uns wieder zurückführt zu jener intimen Nähe, die den meisten Menschen u. a. nach vielen Ehejahren verlorengegangen ist.


 Es zeigt die oft banal scheinenden, unbewussten und verdrängten Hintergründe für Beziehungsstörungen auf, die den meisten Menschen tatsächlich nicht bewusst sind und liefert eine Erklärung für die sich daraus vermeintlich unerklärlichen Alltagsprobleme, die uns Menschen begleiten und dafür sorgen, dass wir die dadurch bedingte körperliche und seelische Unruhe mit den dazugehörenden Einschlafstörungen durch Baldrianpräparate und sonstige Beruhigungsmittel meinen, behandeln zu müssen.

 

Und dass die meisten Menschen nie gelernt haben, das die Unruhe, so wie die Einschlaf- und Durchschlafstörungen eigentlich seit Urzeiten ganz natürliche Schutzfunktionen unseres Körpers sind, die uns darauf aufmerksam machen, das irgendwas nicht in Ordnung ist.

 

Aber anstatt nach der Ursache und den Auslösern, wie z.B. Konflikte in unserem sozialen Umfeld zu suchen, halten wir uns diesbezüglich nach der drei Affen Methode, Augen, Mund und Ohren zu, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf, bis unsere Seele über den Umweg von körperlichen Schmerzen Alarm schlägt, weil wir nur darauf hören.
Aber die wenigsten Ärzte nehmen sich die Zeit, mal genauer zu schauen, wo es wirklich drückt und behandeln das Offensichtliche, was tatsächlich weh tut. Die vernünftigerweise verordnete Ruhe hilft dann erstmal auch der Seele und ihrem unbewussten Kummer, aber eine Seele vergisst keine ungelösten Konflikte und wird wieder unruhig, wenn wir in das tägliche Hamsterrad wieder einsteigen.

 

Offenheit und Ehrlichkeit sollten eigentlich in allen guten Beziehungen selbstverständlich sein… aber die Realität ist eine andere.
Wir Menschen belügen uns tagtäglich, in allen Lebenslagen, ob privat oder beruflich, mal mit kleinen Notlügen, die manchmal ganz niedlich sein können, bis hin zu strategischen Lügengeschichten – z. B. in der Politik, die unnötige Kriege auslösen können, wie den Irak-Krieg 2003.

 

Zur Ehrlichkeit gehört auch, über die unangenehmen Dinge des Lebens zu reden, auch wenn das den unendlichen Wunsch nach perfekter Harmonie ganz schön stören kann.

 

Die uns durch die Werbeindustrie vorgegaukelte und weichgespülte Realität mit all ihren Verlogenheiten, Heimlichkeiten und Hoffnungen auf ein glückliches Leben sorgen in Wirklichkeit nur dafür, dass unsere zwischenmenschlichen Beziehungen für viele Menschen nur durch den Konsum dieser Artikel erträglich zu sein scheinen.

 

Das morgendliche Ritual, besser aussehen und riechen zu müssen als alle anderen, wird durch die Heile-Welt-Atmosphäre mit Schatzi hier und Küsschen da, zwischen Tür und Angel auf dem Weg zur Arbeit zurechtgebogen, obwohl man eventuell wegen unausgesprochener Probleme eine Stinklaune hat.

 

Die Folgen gestörter Beziehungen in Familien fallen oft erst dann auf, wenn man einem anderen Menschen auf der Gefühlsebene so nahekommt, dass man ihm (und den Gefühlen) ausweichen möchte – obwohl man den anderen gernhat.

Tiefe Gefühle verunsichern zutiefst, machen Angst… Ursachen sind andauernde Kränkungen, Demütigungen und eine ganze Palette anderer Störungen insbesondere durch unsere direkten Bezugspersonen.
Sie versinken im Laufe vieler Jahre irgendwo in unserem Unterbewusstsein und führen dort ein zunehmend eigenständiges Dasein.
Die Auswirkungen reichen von Schlafstörungen, Unruhe, körperlichen und psychischen Beschwerden bis hin zur völligen Beziehungsunfähigkeit, über die zahllose Menschen in gefährliche Verzweiflung geraten.
Nicht zuletzt, weil wir nicht imstande sind, unsere Grenzen zu schützen, weil wir ja sagen, obwohl wir nein meinen, weil wir uns anpassen, bis wir uns selbst so verloren haben, dass wir uns nicht mehr wiederfinden.
Und dass alles aus dem Bestreben heraus, Konfrontation zu vermeiden, bedingungslose Harmonie und Eins Sein leben zu wollen, was widernatürlich ist und gar nicht möglich.


Krampfhafte Versuche, die selbstgewählte Rolle immer weiter zu spielen, um den andere nicht zu verlieren, um nicht allein zu sein, scheitern zwangsläufig.

 Und wer kennt sie nicht? Weihnachtliche Familientreffen, bei denen Heile-Segen-Harmonie zur Schau getragen wird und man froh ist, wenn man es hinter sich hat?

 

 Pharmakonzerne reiben sich die Hände, wenn die Apothekenumschau und andere Medien die passenden Mittelchen für sämtliche solcher Beschwerden anpreisen. Helfen können all diese Mittel nicht.
Es wird vermutet, dass viele Kinder heutzutage „zappelig“ und extrem nervig werden, um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu bekommen, doch, weil die Erwachsenen mit dem Streben nach der perfekten und heilen Welt beschäftigt sind, scheitern diese Versuche und münden in Schulschwierigkeiten.
Viele Kinder werden zum Arzt geschleppt, weil sie „stören“ oder verstört sind.
Mit „Ritalin“ ist man dann recht schnell bei der Hand…

 

Neben dem Versuch der Eltern, die perfekte Familie zu spielen, versinkt eine bittere Wahrheit im Dunkeln: Nicht wenige Kinder kamen als Verhütungspanne oder sogar als Kuckuckskind auf die Welt.
Die Tatsache jedoch bleibt im Unbewussten präsent, wird gelebt, aber meistens totgeschwiegen.

Leidtragende sind die Kinder, die um die Wahrheit nie oder erst sehr spät erfahren.

 

Ehepartner, die eines Tages, wenn die Kinder eigene Wege gehen, wieder allein miteinander sind, haben sich häufig dann nicht mehr viel zu sagen.
Die vergessen geglaubten Probleme drängen dann an die Oberfläche, wenn ein Pflegefall eintritt oder die Eltern oder ein Elternteil des Paares auf Hilfe angewiesen sind.

 

Plötzlich entsteht eine Nähe, die unerträglich für alle wird. Die „Reanimation“ der eigenen Beziehung wird verdrängt durch die Pflegesituation – insgesamt entsteht eine völlige Überforderung auf allen Seiten.

 

Pflegebedürftige und pflegende Familienangehörige geraten in einen Kreislauf aus Unruhe, Angst und Unsicherheit, Schlafstörungen und totaler Erschöpfung.
Nicht umsonst werden pflegebedürftige Menschen mit hohen Dosierungen von Beruhigungsmitteln „gestillt“.


Warum ich das Buch geschrieben habe

 

Bei meiner Arbeit in einer Gerontopsychiatrischen Ambulanz ist mir besonders das Schweigen der alten Männer aufgefallen, die durch das Grauen ihrer traumatischen Erlebnisse während des 2. Weltkriegs und der anschließenden Gefangenschaft regelrecht „gestillt“ wurden.
Sie haben als Kinder gelernt, dass ein Mann stark sein muss und keine Gefühle zeigen darf, auch dann nicht, wenn es ihn fast zerreißt. Deshalb konnten sie nicht über das Erlebte reden, weil sie Angst davor hatten, von ihren Gefühlen überwältigt zu werden.

Die Ehefrauen, wie auch die Kinder litten unendlich unter dem Schweigen und den psychischen Beschädigungen der Ehemänner/Väter, die sich oft in gewalttätigen Wutausbrüchen äußerten.


Ich erlebte Verlogenheit, die durch familiäre Verstrickungen und erbrechtliche Knebelverträge, vielen Psychotherapeuten, Anwälten, Bierbrauern und Winzern den Lebensunterhalt sicherten – all das und das mit angesehene Leid vieler Menschen, die diesen Situationen ausgeliefert waren, bewog mich, dieses Buch zu schreiben.


Eigentlich erzähle ich in diesem „verrückten“ Buch nur Geschichten vom Leben der Menschen, wobei dieses Leben ihre Beziehungen sind, die es zu pflegen gilt, damit das Leben einigermaßen gelingt. Egal, ob es sich dabei um die Beziehung der Kinder zu den Eltern handelt, um die Beziehung zwischen Geschwistern, Freunden, Arbeitskollegen, Nachbarn, um die Beziehung des erwachsen Gewordenen zu den eigenen Kindern oder zu den eigenen, durch einen dementiellen Prozess pflegebedürftig, vielleicht auch „verrückt“ gewordenen Eltern.
Wie das Leben tatsächlich ist, haben wir Kriegs- und Nachkriegskinder genauso wenig gelernt, wie darüber zu reden, was uns unangenehm ist, weil uns diesbezüglich oft „der Mund verboten“ wurde.
„Wir haben alle gelernt, was man sagen darf und was nicht, obwohl wir ebenso gelernt haben, dass man nicht lügen darf oder soll.“
Besonders viele Jungen wurden von den „männlichen“ Verhaltensweisen ihrer Väter geprägt und verhalten sich heute genauso negativ gegenüber ihren eigenen Gefühlen, obwohl sie alles anders machen wollten, als der „Alte“.

Sie reden heute auch nur, wenn sie gefragt werden oder wenn sie noch frisch verliebt sind und ihre Schmetterlinge und Flugzeuge im Bauch den Flugverkehr, trotz Alltagsstress in jeder Beziehung, noch nicht eingestellt haben.
Diese erlernte Sprachlosigkeit, das Verschweigen der Wahrheit, der heimliche Rückzug aus vermeintlich intakten Beziehungen und das Leugnen der Realität, prägt viele Menschen bis heute und macht sie in Bezug auf das, was sie wirklich fühlen, ebenso sprachlos und still, wie damals und auch heute noch unsere Väter und Mütter.


Dieses nach außen hin, hilflose Aufrechterhalten einer vermeintlich intakten und heilen Welt wurde durch den Konsum in den 1950/1960iger Wirtschaftswunderjahren kaschiert und prägt bis heute das Verhalten aller „Nachkriegskinder“, die nicht gelernt haben, über ihre Gefühle zu reden.
Es scheint einfacher zu sein, die eigene Unzufriedenheit kurzfristig über den Weg in ein Schuhgeschäft oder den Kauf eines neuen Smartphones zu verdrängen, als mit dem Partner darüber zu reden, was die Beziehung zurzeit eigentlich belastet oder sogar unerträglich macht.